Konflikte lösen – ein Coachingprozess in einer Klinik

Konflikte lösen – ein Coachingprozess in einer Klinik

Wenn ich als externer Coach angefragt werde, einen Konflikt im Team zu lösen, dann kenne ich in der Regel weder die Akteure noch ihre Vorgeschichte, ihre Art zu kommunizieren oder ihre Sicht des Problems. In der Regel weiß ich auch nicht, was bisher unternommen wurde und mit welchem Ergebnis. Hier zeige ich dir, wie ich den lösungsfokussierten Coachingprozess gestalte

Lösungsfokussiertes Arbeiten – was heißt das genau?

Leider ist es oft so, dass bei Konflikten oder schwierigen Situationen viel Zeit auf die Analyse von Problemen verwendet wird. Wer hat wann angefangen? Welche Gefühle sind damit verbunden? usw.

Dahinter steckt der Glaube, dass wenn wir die Ursachen kennen, wir auch eine Lösung entwickeln können. Der lösungsfokussierte Ansatz geht davon aus, dass es eher hinderlich ist, das Problem zu analysieren, da es meistens zu Schuldzuweisungen und Rechtfertigungen führt. Hier sprechen wir auch vom Begriff der „Problemtrance“:

Was tun wir stattdessen?

  • Wir ver(sch)wenden keine Zeit auf eine langwierige Problemanalyse, sondern klären, was die Akteure erreichen wollen & wann es schon mal besser war.
  • Der Fokus liegt also auf der Lösung: Welche Ziele möchte der Auftraggeber erreichen? Was soll sich verändern, was soll so bleiben?

 

Die Phasen des Coachingprozesses

Sehr oft erlebe ich, dass ein Auftraggeber zwar weiß, dass sich etwas ändern muss, aber erst durch gezieltes Nachfragen anfängt, diese gewünschte Veränderung konkret zu beschreiben. Das Beschreiben der Veränderungen ist ein Erfolgsfaktor der lösungsfokussierten Arbeit. Hier stelle ich dir anhand eines Fallbeispiels den Coachingprozess in einer Klinik vor. Der Prozess wurde in 3 Schritte aufgeteilt, die kurz erkläre.

  • Schritt 1: Das Erstgespräch
  • Schritt 2: Vorschlag für den Prozessablauf
  • Schritt 3: Die Umsetzung

 

Schritt 1: Das Erstgespräch

Im Erstgespräch definieren wir den Coachingauftrag klipp und klar. Dabei nutzen wir die Problembeschreibung als Ausgangspunkt für angestrebte Ziele. Ein wichtiges erstes Ergebnis ist das Festlegen erfolgsrelevanter Kriterien. Deshalb stelle ich Fragen wie:

  • Wie würden die Beteiligten einen Erfolg konkret beschreiben?
  • Woran können alle Beteiligten messen, dass sich der Aufwand gelohnt hat?
  • Was wären erste Anzeichen für die gewünschte Veränderung?
  • Was ist die Führungskraft bzw. der Auftraggeber bereit, zum Erfolg beizutragen?
  • Welche Personen sind für den Prozess wichtig? Wer muss alles dabei sein?
  • Wie sieht die Kommunikation aus?
  • In welcher Form wird die Führungskraft über den Verlauf des Prozesses informiert bzw. in diesen eingebunden?

Sind mehrere Prozessbeteiligte im Erstgespräch anwesend, akzeptiere ich als Coach die unterschiedlichen Sichtweisen und Wahrnehmungen. Jeder Beteiligte wird mit seiner Sicht wahr- und ernstgenommen. Daraus ergeben sich in der Regel bereits wichtige Hinweise zur Problemlösung.

 

Schritt 2: Vorschlag für den Prozessablauf

Auf Basis des Erstgespräches entwickle ich einen individuell abgestimmten Prozessablauf. Je nach Situation, angestrebten Zielen und Gegebenheiten im Unternehmen ist es eine Mischung aus Coaching, Beratung und Kurzworkshops. Meine Empfehlung zielt immer darauf ab, die Kunden auf effiziente Weise zu Lösungen zu führen.

Nachdem der Prozessablauf abgestimmt wurde, gehen wir direkt in die Umsetzung. Das Coaching mit dem Solution Focus zeichnet dadurch aus, dass ich:

  • machbare Ziele entwickle, die schnell zu spürbaren Erfolgen führen,
  • die Teilnehmer motiviere, indem sie auf Funktionierendes schauen,
  • konkrete, machbare Schritte für die Umsetzung entwickle.

So kann auch in verfahrenen Situationen zügig eine spürbare Verbesserung entstehen.

 

Schritt 3: Die Umsetzung

In der Umsetzung lege ich einen Schwerpunkt auf einen der Grundsätze des Lösungsfokussierten Ansatzes ist: „Keiner ist für das Problem, aber jeder für die Lösung verantwortlich.“

D.h., ich betreibe keine Ursachenforschung und verhindere damit, dass sich die Teilnehmenden die Schuld zuschieben.

Ich mache klar, dass ich als Coach für die Struktur des Prozesses zuständig bin, während die Beteiligten für den Inhalt und die Lösungen verantwortlich sind. Das ist häufig für die Teilnehmer eine Überraschung, denn externe Coaches und Trainer werden häufig als Instanz gesehen, die „sagt, wie es besser geht“. Als Coach befinde ich mich in der Haltung des Nicht-Wissens.

Nachhaltige Lösungen gelingen aber nur dann, wenn Menschen eigene Lösungen und Handlungsschritte entwickeln. Dafür bin ich der Katalysator!

 

 

Fallbeispiel: Teamcoaching in einer Klinik

Die Ausgangssituation

Die Chefärztin ist seit ca. 4 Jahren in der Klinik tätig und will diese zu einem regionalen Kompetenzzentrum mit neuen medizinischen Schwerpunkten ausbauen. Das Patientenaufkommen hat sich in den letzten drei Jahren verdoppelt, die Arbeitsbelastung ist für alle Mitarbeiter sehr hoch. Weiteres Personal ist angefordert, aber noch nicht vorhanden.

In den jährlichen Mitarbeitergesprächen hat sich herausgestellt, dass es besonders im Ambulanzteam große Spannungen gibt und wichtige Mitarbeiter schon an Kündigung denken.

 

Schritt 1: Das Erstgespräch mit der Chefärztin

Im Gespräch mit der Chefärztin zeigt es sich, dass es um zwei Bereiche geht, in denen Verbesserungen notwendig sind:

  • Spannungen zwischen Teamleitung und Team
  • Umgang der Teammitglieder untereinander

1. Spannungen zwischen Teamleitung und Team

Die Teamleiterin scheint mit ihrer Aufgabe teilweise überfordert zu sein: sie blockt Veränderungen ab. Ihr Umgang erscheint oft ruppig und wenig kollegial.
Neue Mitarbeiter können sich nur schwer ins Team integrieren. Sie müssen zudem oft weniger attraktive Dienste übernehmen.

2. Umgang der Teammitglieder untereinander

Im Team brodelt die „Gerüchteküche“ – statt miteinander wird überwiegend übereinander gesprochen. Die Kollegialität leidet, es kommt zu Cliquenbildung. Einige können sich gut gegen das „übereinander Reden“ abschotten, andere leiden darunter.

Eine zentrale Frage im Erstgespräch ist, woran die Führungskraft im Alltag erkennen würde, dass sich die Arbeit des externen Coaches gelohnt hat. Diese Frage hilft, die Ziele genau zu definieren und die Qualität der Veränderung herauszuarbeiten.

Die Chefärztin schildert,

  • sie würde das in den Einzelgesprächen mit den Mitarbeitern merken,
  • bestimmte Arbeiten würden mit mehr Engagement durchgeführt werden,
  • Verbesserungsvorschläge würden aktiv gemacht werden,
  • es gäbe weniger Kämpfe und Rangspiele,
  • die Fähigkeiten der einzelnen Personen würden stärker wahrgenommen und geschätzt werden.

Hinsichtlich der Teamleiterin ergeben sich folgende Punkte:

  • Die Teamleiterin zeigt ein feinfühligeres Mitarbeiter-Handling,
  • nimmt Vorschläge der Mitarbeiter auf und
  • ist Ansprechpartnerin für die Sorgen der Teammitglieder.

 

Schritt 2: Vorschlag für den Prozessablauf

Im Fall der Klinik schlage ich einen zweigleisigen Prozess vor:

  • Teamleiterin:
    • Die Teamleiterin erhält ein Coachingbudget, das sie bedarfsweise nutzen kann, telefonisch oder persönlich.
    • Vor dem ersten Coaching findet ein Auftakt- Gespräch zwischen Chefärztin, Teamleiterin und mir als Coach statt. In diesem Gespräch werden die Entwicklungsziele vereinbart und sichergestellt, dass die Teamleiterin die Ziele versteht und das Coaching als wertvolle Unterstützung annehmen kann.
    • Nach 4-5 Coachingsitzungen wird ein Zwischengespräch mit der Führungskraft eingeplant und am Ende des Prozesses ein Abschlussgespräch.
  • Team:
    • Für die Teamentwicklung werden ein ganzer Tag und zwei halbtägige Workshops im Abstand von zwei und sechs Wochen geplant. Das Team wird zum Problemlöser!
    • Im letzten Teamworkshop gibt die Chefärztin ein Feedback an das Team.

 

Phase 2: Die Umsetzung

Der gesamte Coachingprozess von Teamleiterin und Team ist komplex. Deshalb stelle ich hier die wichtigsten Schwerpunkte des Teamcoachings vor.

Getreu dem Grundsatz „Die Teilnehmer sind für den Inhalt und die Lösungen zuständig“ werden im ersten Workshop vom Team zwei Kernbereiche festgelegt, die sie bearbeiten wollen:

  1. Arbeitsablauf unter besonderer Berücksichtigung des hohen Arbeitsaufkommens durch Personalknappheit und noch nicht eingelernte neue Mitarbeiter: Was kann unter diesen erschwerten Bedingungen optimiert werden, um die Arbeitsbelastung im Rahmen zu halten?
  2. Der Umgang im Team: Wie können wir so miteinander umgehen, dass die Zusammenarbeit im Team wieder angenehmer, offener und kollegialer wird?
    Wie wollen wir miteinander kommunizieren?

In der Regel werden zum Auftakt des Teamworkshops mehrere Ziele genannt. Es hat sich bewährt, den Beteiligten die Entscheidung der Reihenfolge der Themen zu überlassen. Aus meiner Erfahrung wählen Teams meistens die Themen aus, bei denen sie die größte Zuversicht haben, Lösungen zu finden. Gelingt dies, steigt die Zuversicht für scheinbar schwierigere Themen. Das Klinikteam einigt sich darauf, mit dem Thema „strukturierter Arbeitsablauf“ zu beginnen.

Die Darstellung der aktuellen Arbeitsverteilung zeigt, dass es keine Spielräume gibt, die Arbeit anders zu strukturieren. Der momentane personelle Engpass lässt keine Änderungen zu. Es wird für alle klar, dass die Teamleiterin bisher das Beste aus der personellen Situation gemacht hat.

Diese Anerkennung tut der Teamleiterin sichtlich gut. Im Gespräch entwickeln die Teammitglieder Ideen, die trotzdem eine Verbesserung darstellen: Schaffung eines Arbeitsplatzes für die Erledigung besonderer Aufgaben, eine Magnettafel für die Kommunikation wichtiger Informationen ans Team.

In jeder Situation gibt es Lösungen – manchmal sind es, wie in diesem Beispiel – sogar „relative“ Kleinigkeiten. Genau das macht das Coaching mit dem Lösungsfokus aus: anstatt nur zu sagen „zu wenig Leute, die einzig mögliche Lösung ist neues Personal“ geht es darum, zu sehen, welche kleinen und großen, kurz-, mittel- und langfristigen Lösungen es gibt. Diese Suche nach kleinen Schritten, die eine gewisse Verbesserung darstellen, auch wenn die Rahmenbedingungen momentan noch so angespannt sind, erhöht die Moral und das Engagement aller Beteiligten.

Im nächsten Schritt geht es um das heiklere Thema: Umgang und Zusammenarbeit im Team. Hier entwickle ich mit den Teilnehmern ein gemeinsames Bild der erwünschten Zukunft:

  • Mal angenommen das Team arbeiten unter den gegebenen Umständen optimal zusammen, woran würden Sie das merken und woran?
  • Wer würde es noch merken und woran?

Wichtig ist, dass wir keine Illusionen abfragen, sondern nach einem realistischen Bild eines guten Miteinanders fragen. Die Mitarbeiter beschreiben das Miteinander z.B. mit Aussagen wie:

  • Wir sitzen auch mal bei einem Kaffee zusammen.
  • Ich kann jeden um Hilfe bitten, wenn ich nicht mehr weiterkomme.
  • Ich kann offen sagen, wenn ich mich an etwas störe.
  • Wir suchen gemeinsam nach Lösungen.
  • Es wird viel miteinander gelacht, auch wenn es gerade viel zu tun gibt.
  • Keiner ist außen vor.

 

Das Bild er erwünschten Zukunft gleichen wir mit der Ist-Situation ab. Dafür nutzen wir die Skalenfrage:

Wenn „10“ Ihre erwünschte Zukunft ist und „1“ das komplette Gegenteil, wo schätzen Sie Ihre Zusammenarbeit im Moment ein?“

Eine Frage lautet: Was funktioniert bereits, wenn Sie auf der (Ihrem Wert) stehen? Was noch? Was noch?

In diesem Team werden folgende Themen genannt, die bereits funktionieren:

  • Zusammenarbeit mit bestimmten Kollegen
  • Absprachen werden eingehalten…

An diesem Punkt war eine deutliche Erleichterung in den Gesichtern der Teilnehmenden zu erkennen, als das Team anfing, die Punkte zu benennen, die trotz aller Schwierigkeiten gut laufen.

In Kleingruppen erarbeiten die Mitarbeiter dann, woran sie erkennen könnten, dass sie auf der Skala einen Schritt in Richtung 10 gekommen wären. Die Kleingruppen beschäftigen sich mit drei Fragen:

  • Mal angenommen Sie wären auf der Skala einen Schritt vorangekommen, was wäre dann anders?
  • Woran würden Sie das erkennen?
  • Wer könnte es noch erkennen und woran?

Im Zentrum steht wieder die Gerüchteküche – einen Schritt weiter würde es z.B. weniger Gerüchte geben, sondern ehrliches Aufeinanderzugehen. Wir entwickeln gemeinsam Ideen, wie die Teammitglieder Gerüchte stoppen und Situationen direkt ansprechen können.

Im letzten Schritt formuliert das Team zwei konkrete Maßnahmen, die ab morgen umsetzen werden:

  • Jeder ist dafür verantwortlich, Gerüchte zu stoppen und keine Gerüchte zu streuen.
  • Schwierige Situationen werden im direkten Gespräch geklärt.

Für den letzten Punkt erarbeite ich mit dem Team eine Möglichkeit, wie schwierige Dinge so angesprochen werden können, dass das Gegenüber noch mitdenken kann und sich nicht angegriffen fühlt.

 

Fazit:

Das sind auszugsweise wesentliche Schritte in einem lösungsfokussierten Coachingprozess. Der lösungsfokussierte Ansatz ist eine besondere Methode, die dir und deinen Mitarbeiter garantiert, schneller zu tragfähigen Lösungen zu kommen als herkömmliche Beratungen oder Trainings das vermögen.

Hast du gerade ein Problem, für das du eine Lösung suchst?

Dann lass uns darüber sprechen, wie ein individuelles Konzept für dein Thema aussehen könnte.

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Autorennotiz

Marieluise Noack

Lösungsfokussiertes Coaching, praxisnahe Trainings & zielorientierte Moderation – online und im Raum Stuttgart & Heilbronn. Ich zeige dir, wie du Veränderungen erfolgreich anstößt und wirklich in die Umsetzung kommst – so dass alle davon profitieren. Organisationen entwickeln – Menschen stärken – Potenziale entfalten.

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